Der Weg ist (nicht) das Ziel

BION_202208

Berufliche Belastungen nehmen zu. Die Gründe dafür reichen von längeren Arbeitszeiten bis hin zu erhöhten Anforderungen zu Hause im Homeoffice (Abramson, 2022). Flexible Mitarbeitende, die sich schnell an veränderte Arbeitsanforderungen anpassen und sich neue Fähigkeiten aneignen , sind deshalb umso wertvollere Ressourcen im dynamischen Geschäftsumfeld, denn schließlich ist Flexibilität auch ein Faktor von Resilienz (Iacoviello & Charney, 2014). Wie lässt sich diese Flexibilität bei Mitarbeitenden steigern und an welcher Stelle können sich Führungskräfte etwas abgucken?Von Tobias Preuß

Ziele sind wichtig, Flexibilität für deren Erreichung ebenso

Aktive und ehemalige Spitzensportler:innen sind nicht nur in Zeiten von Krisen gefragte Gäste in Unternehmen. Sie werden gerufen, um mit ihren Erfolgs- wie auch ihren Leidensgeschichten die Belegschaft zu motivieren, zu inspirieren und Werte des Sports zu vermitteln, wie Leistung, Teamarbeit und Erfolg. Was können wir uns von Spitzensportler:innen abgucken, um mit volatilen, unsicheren Bedingungen wirksamer umzugehen? Und wie können Führungskräfte ihre Mitarbeitenden dabei unterstützen?

Ziele sind integraler Bestandteil von Motivation und, egal ob Meistertitel, Olympiasiege oder die Spitze der Karriereleiter – Ziele geben die allgemeine Handlungsrichtung vor (Elliot & Fryer, 2008). Hinsichtlich des Weges zur Erreichung von Zielen gibt es im Allgemeinen zwei Arten von Zielorientierung (Dweck & Leggett, 1988): Performance-Goal-Orientation (PGO) und Mastery-Goal-Orientation (MGO). PGO bedeutet die Konzentration auf das Demonstrieren von Kompetenz, was durch Impression-Management (bspw. anderen zeigen, dass man klug ist) und das Übertreffen anderer (normative Bestrebungen) realisiert wird. MGO wird hingegen als Konzentration auf die Entwicklung von Kompetenzen beschrieben, indem sie den Schwerpunkt auf Entwicklung, Lernen und Vertiefung des Verständnisses legt. Hier geht es darum, sich auf das zu konzentrieren, was es braucht, um sein Bestes zu geben und besser zu werden – und das erst einmal unabhängig vom Endresultat. Normativer Erfolg fällt im besten Falle als Beiprodukt ab. Der Fokus liegt hier ganz auf der eigenen Person und dem eigenen Kontrollbereich (Grant & Dweck, 2003; Urdan & Mestas, 2006).

Immer wieder lesen und hören wir, wie erfolgreiche Athlet:innen den Prozess in den Mittelpunkt ihrer Entwicklung stellen. Niederlagen als Ansporn, Rückschläge als Lernerfahrungen wahrzunehmen und jede Widrigkeit als Möglichkeit zu sehen, besser zu werden – das ist die Essenz von MGO. „What’s Important Now?“ (W.I.N.) – dieses Motto von Football-Trainer-Legende der University of Notre Dame (USA) Lou Holtz versinnbildlicht den Fokus auf den Prozess (Holtz, 1998). Die Frage, was unter den gegebenen Umständen der nächste richtige Schritt ist, um das gesteckte Ziel zu erreichen, ermöglicht die nötige Flexibilität, ohne dabei das Ziel aus den Augen zu verlieren.
Inwiefern lässt sich dieses Mindset in der Arbeit von Führungskräften beobachten und welchen Einfluss hat Mastery-Goal-Orientation auf die Flexibilität von Mitarbeitenden?

Mastery-Goal-Orientation für mehr Flexibilität

Solberg, Sverdrup, Sandvik und Schei (2021) untersuchten, ob Führungskräfte Volatilität und Ungewissheit mit MGO in ihrem Unternehmensumfeld eher als Entwicklungschance betrachten und dementsprechend einen lernorientierten, problemlösenden Ansatz für die erlebten Herausforderungen wählen. Daraus abgeleitet postulierten sie, dass MGO-Führungskräfte einen Arbeitskontext schaffen, in dem Lernen und Meistern durch individuelle Anstrengung und Zusammenarbeit mit Kolleg:innen im Vordergrund stehen.

Sie fanden heraus, dass Mitarbeitende, die für MGO-Führungskräfte arbeiten, in ihren Unternehmen ein „Mastery-Klima“ erleben und dass dies die individuelle Flexibilität erhöht. Gleichzeitig  konnten sie aber auch Nebenwirkungen beobachten. Da MGO-Führungskräfte von Natur aus Motivation aus der Bewältigung neuer Herausforderungen ziehen, tendieren sie dazu, ­eher aktiv nach schwierigen Aufgaben und Situationen zu suchen, von denen sie sich eine größere Entwicklung versprechen.  Infolgedessen kann es passieren, dass Mitarbeitende diese Flexibilität als eher auferlegt statt als intrinsisch motiviert wahrnehmen, was wiederum den positiven Effekt des „Mastery-Klimas“ vollständig aufheben kann (Solberg et al. 2021).

Letztlich weisen die Ergebnisse darauf hin, dass Führungskräfte Flexibilität von Mitarbeitenden fördern können, wenn sie durch einen Fokus auf Entwicklungsmöglichkeiten  ein „Mastery-Klima“ erzeugen, wohingegen sie Flexibilität unterdrücken, wenn ein solches Verhalten explizit erwartet wird.

Tipps: Wie Führungskräfte Flexibilität fördern

Um die Flexibilität von Mitarbeitenden wirksam zu fördern, müssen Führungskräfte in der Lage sein zu erkennen, wie Zielorientierung mit verschiedenen Verhaltensweisen zusammenhängt. Hier geben wir Führungskräften folgende Tipps:

  • Reflektieren Sie Ihre eigene Zielorientierung. Wie zeigen Sie diese und woran machen Sie sie fest?
  • Stärken Sie eine Kultur des Lernens und der Kollaboration. Hier ist es wichtig, positive Impulse zu verstärken, aber auch selbst als Vorbild voranzuschreiten.
  • Vermeiden Sie Verhalten, das negative Affekte hervorrufen kann, wie Aufgaben, die den Reifegrad Ihrer Mitarbeitenden übersteigen, zu viel Druck ausüben oder zu hohe Erwartungen artikulieren.

Nur „eyes on the prize“ bringt nicht immer das erwünschte Ergebnis. Rufen Sie sich ins Gewissen, wie erfolgreiche Sportler:innen sich auf den Prozess fokussieren, um ihre Ziele zu erreichen und schaffen Sie so ein Mastery-Klima, das Ihren Mitarbeitenden mehr Flexibilität verleiht und sie resilienter für Unsicherheit und Volatilität macht.

Quellen