Gender Diversity ist für Teamleistung (ir)relevant

Das Thema „Diversity & Inclusion“ ist hochaktuell. Insbesondere Gender Diversity erhält (noch immer) erstaunlich viel Aufmerksamkeit, obwohl zumindest in den white-collar-Berufen „gefühlt“ schon lange Normalität. Doch der Eindruck täuscht: Im Vergleich zu den skandinavischen Ländern oder der Schweiz ist die Frauenerwerbsbeteiligung in Deutschland relativ niedrig (Oschmiansky, Kühl, & Obermeier, 2014) und selbst optimistische Projektionen gehen erst für 2040 von einer Angleichung der Frauenerwerbsquote an 90% der Männererwerbsquote aus (Börsch-Supan & Wilke, 2009). Anders als beispielsweise in den USA, wo die Frauenerwerbsquote aller Wahrscheinlichkeit nach ihren Höhepunkt bereits erreicht hat (Toossi, 2012), ist in Deutschland also noch Spielraum nach oben vorhanden und somit das Thema Gender Diversity berechtigterweise noch immer auf der Agenda. Während biodemographische Diversität allgemein vor allem unter einem normativen Blickwinkel diskutiert wird, wird Gender Diversity sicherlich in dem einen oder anderen Unternehmen auch aus einer funktionellen Perspektive betrachtet.

Bei der Funktionalität von Gender Diversity scheiden sich allerdings die (wissenschaftlichen) Geister. Die Evidenz auf Basis von Meta-Analysen, welche die Ergebnisse aus allen relevanten Studien systematisch zusammenfassen, deutet vorerst darauf hin, dass Gender Diversity von Teams keinen Einfluss auf deren Leistung hat (Webber & Donahue, 2001; Horwitz & Horwitz, 2007; Joshi & Roh, 2009; Schneid et al., 2014). Eine Ausnahme stellt die Meta-Analyse von Bell at al. (2011) dar, die sogar einen negativen Zusammenhang zwischen Gender Diversity und Teamleistung feststellt. Eine weitere Meta-Analyse von van Dijk, van Engen und van Knippenberg (2012) zeigt allerdings, dass ein negativer Zusammenhang nur bei der Betrachtung von Studien mit subjektiver (statt objektiver) Messung von Teamleistung besteht, was eindeutig auf Wahrnehmungsverzerrungen vonseiten der Beobachter hindeutet.

team performance and gender send running man 1Eine erst kürzlich veröffentlichte Meta-Analyse von Schneid, Isidor, Li und Kabst (2015) eröffnet nun eine spannende neue Perspektive in der Diversityforschung: Die Autoren zeigen, dass der Zusammenhang zwischen Gender Diversity und Teamleistung von der nationalen Kultur abhängt!

Nur in zwei Gruppen von Gesellschaften finden Schneid und Kollegen Evidenz für einen signifikanten (negativen) Zusammenhang zwischen Gender Diversity und der Leistung von Teams: Zum einen in Gesellschaften mit stark ausgeprägten Unterschieden zwischen weiblichem und männlichem Rollenbild und wenig Förderung der Gleichheit von Männern und Frauen wie bspw. Ägypten und Indien („gender egalitarianism“; House et al., 2004: 12). In Gesellschaften hingegen, in denen die Gleichheit von Männern und Frauen gefördert wird und die Unterschiede zwischen weiblichem und männlichem Rollenbild (auch hinsichtlich des Berufes) gering sind, besteht kein Zusammenhang zwischen Gender Diversity und der Leistung von Teams. Entweder heben sich negative und positive Effekte von Gender Diversity gegenseitig auf oder aber Gender Diversity ist schlichtweg irrelevant für die Teamarbeit und damit auch für die Leistung des Teams, weil beide Geschlechter gleichermaßen an den Aufgaben sowie der Kommunikation innerhalb des Teams teilhaben.

Zum anderen findet sich ein negativer Zusammenhang zwischen Gender Diversity und Teamleistung in kollektivistischen Gesellschaften wie bspw. Argentinien und Südkorea. In kollektivistischen Gesellschaften wird kollektives Handeln und die kollektive Verteilung von Ressourcen institutionell belohnt und gefördert. Zudem fühlen sich Individuen mit den Kollektiven (bspw. Organisationen oder Teams), denen sie angehören, in hohem Maße verbunden („institutional collectivism“ und „in-group collectivism“; House et al., 2004: 30). Der negative Zusammenhang zwischen Gender Diversity und Teamleistung in kollektivistischen Gesellschaften überrascht. Anders als erwartet, schweißt die kollektivistische Orientierung weniger durch die Zugehörigkeit zu einem Team zusammen als vielmehr durch die Zugehörigkeit zu einem Kollektiv (Männer / Frauen) innerhalb eines Teams, sodass gerade in kollektivistischen Kulturen Spannungen und Konflikte in gender-diversen Teams auftreten und die Teamleistung verringern können.

Eine Studie von Baer, Vadera, Leenders, und Oldham (2014) deutet bereits an, dass das Konzept der Gender Diversity unter bestimmten Bedingungen gar in die falsche Richtung weist: Baer et al. finden heraus, dass geschlechtsspezifische Reaktionen auf kompetitive Situationen die Kreativität von Teams beeinflussen, und somit die Trennlinie nicht zwischen diversen und homogenen Teams verläuft, sondern vielmehr zwischen homogen weiblichen und homogen männlichen Teams. Alles deutet also darauf hin, dass wie so oft auch beim Einfluss von Gender Diversity auf die Leistung von Teams gilt: Es kommt darauf an!

Quellen