Hierarchie in Teams führt (nicht) zu schlechterer Performance

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Es ist eine weit verbreitete Auffassung, dass Hierarchien hinderlich für offene Kommunikation und Innovation sein können. Andere wiederum meinen, dass Hierarchien eine Hilfe bei der Arbeit darstellen, indem sie Orientierung bieten, wenn es zum Beispiel um Fragen geht wie: Wer ist wofür verantwortlich? An wen kann man sich wegen einer bestimmten Entscheidung wenden? Offenbar ist an beiden Ansichten etwas dran.

Von Petra Pflugfelder und Isabella von Stockert

Seit einigen Jahren gibt es zunehmend mehr Organisationen, die klassische Hierarchiestrukturen abschaffen (Bittelmeyer, 2014) und durch agilere Strukturen sowie Organisationsmodelle wie beispielsweise eine Kreisorganisation ersetzen. Dies scheint ein zukunftsfähigerer Weg der Zusammenarbeit zu sein und wird als Lösung aller Probleme gepriesen. Jedoch gibt es auch Studien, die klar auf die positiven Aspekte von Hierarchien hindeuten: zum Beispiel gesteigerter Kooperationswille oder erhöhte Leistungsmotivation, wenn strukturelle Hierarchien Anreize wie klare Karrierewege bieten (Halevy, Chou & Galinsky, 2011).

Wenn es um Teamhierarchie geht, gibt es häufig zwei konkurrierende Ansichten zu den Effekten, die eine Hierarchie haben kann: Entweder sie wird dankbar als Koordinations- und Strukturhelfer gesehen (funktionale Perspektive) oder als häufiger Konfliktauslöser wahrgenommen (dysfunktionale Perspektive). Dabei kann man Hierarchien an verschiedenen Leveln von Expertise, Einfluss, Rang oder Status unterscheiden.

Hilfreich oder störend?

Um der Frage auf den Grund zu gehen, ob Hierarchie hilfreich oder störend ist und welche weiteren Umstände eine Rolle spielen können, führten Forscher aus den USA und den Niederlanden eine Metaanalyse von 54 Studien durch, die zu folgendem Ergebnis führte: Insgesamt hat die Präsenz einer Hierarchie im Team eine negative Auswirkung auf Teameffektivität – gemessen an Performance (Ergebnisquantität, -qualität und -effizienz) und der Bereitschaft der Teammitglieder in Zukunft Teil dieses Teams zu bleiben (Greer, de Jong, Schouten & Dannals, 2018).

Das lässt sich damit begründen, dass der Effekt der dysfunktionalen Perspektive deutlich stärker ist als der der funktionalen. So hilft eine Hierarchie unter Umständen bei der Koordination von Interaktionen. Sie hat jedoch einen signifikant stärkeren – und zwar negativen – Effekt, wenn es etwa um Interessensunterschiede geht, die durch verschiedene Ranggruppen in der Hierarchie entstehen und Konflikte hervorrufen.

Darüber hinaus gibt es offenbar drei Faktoren, die diese dysfunktionale Komponente noch weiter intensivieren:

  • starke Unterschiede in den Fähigkeiten der Teammitglieder,
  • eine wechselnde Zusammensetzung des Teams und
  • die Möglichkeit, die Hierarchie anzufechten, weil sie nicht als starr wahrgenommen wird.

Gleichzeitig wurde in der Metastudie nur ein Faktor gefunden, der die potenziell koordinationsbegünstigenden Effekte von Hierarchie verstärkt: Wenn die Aufgaben des Teams uneindeutig sind und Verunsicherung hervorrufen (hohe Aufgabenunsicherheit). Die Komplexität der Aufgaben und gegenseitige Abhängigkeit von Aufgaben, auf die sich oft berufen wird, spielen dagegen keine verstärkende Rolle.

Hierarchie und Innovation

Da Unternehmen immer mehr auf kreative Teams angewiesen sind (Hoever, van Knippenberg, van Ginkel & Barkema, 2012), interessiert uns auch der Effekt, der Hierarchie auf Innovation und Kreativität hat. Hier ergibt sich ein etwas anderes Bild: Während einige Studien zeigen,  dass Hierarchie keine Rolle spielt (zum Beispiel Edmondson, Bohmer & Pisano, 2001), und andere, dass Hierarchie förderlich für Innovation ist (z.B. Sanner & Bunderson, 2018), führten Evans und Sanner (2019) diese Ergebnisse und die ihnen zugrunde liegenden Argumente in einem neuen Artikel zusammen und kamen zu einem differenzierteren Schluss: Da sich der Verlauf eines Projektes in zeitliche Phasen einteilen lässt, kann man innerhalb dieser auch von verschieden hohen Bedarfen an Koordination, das heißt Hierarchie, ausgehen.

So nutzt ein ausgeprägteres Maß an Hierarchie vor allem am Anfang und am Ende vieler Projekte, da diese Zeiten aufgrund unklarer Ziele bzw. unklarer Abschlussentscheidungen von Unsicherheit und der Suche nach Orientierung geprägt sind. Dazwischen gibt es häufig eine Phase des unabhängigeren Arbeitens, in der Ziele und Aufgaben klar abgesteckt sind, was wiederum weniger Koordination erfordert. Agile Arbeitsformen wie beispielsweise Scrum greifen genau diese Aspekte auf und arbeiten entsprechend.

Passend dazu unterscheiden auch andere Hierarchie-Kreativitäts-Studien (zum Beispiel Keum & See, 2017) ganz klar zwischen der Phase der Ideensuche und der darauffolgenden Auswahl der vielversprechendsten Ideen: Die Ideensuche profitiert von wenig Hierarchie, um die Angst von Teammitgliedern zu reduzieren, sich vor anderen zu blamieren. Der Ideenauswahl nutzt dagegen genau diese kritische Überlegung zur Evaluation von Höhergestellten, weil man so auch eigene Vorschläge stärker hinterfragt.

Wirksamkeit von Hierarchie

Generell ist Hierarchie hilfreich und wirksam in den folgenden drei Fällen:

(1) Wenn es eine klare Weisungskette im Team gibt, da Teams so besser lernen (Bresman & Zellmer-Bruhn, 2013),

(2) wenn es eine leistungsbezogene Kultur gibt, die sicherstellt, dass Menschen mit der höchsten Performance mehr Einfluss haben und die Hierarchie auf Expertise beruht (Sanner & Bunderson, 2018), und

(3) wenn Feedback und Ziele gruppenorientiert statt individuell formuliert sind, sodass Höhergestellte die Zusammenarbeit ihrer Teammitglieder fördern, wodurch Teams besser lernen und performen  (Van der Vegt, de Jong, Bunderson & Molleman, 2010).

Diese Kriterien bilden in wissensbasierten Unternehmen, in denen Innovation und Lernen kritische Erfolgsfaktoren sind (Kim & Mauborgne, 2003), eine gute Basis für ohnehin oft existierende Hierarchien in Organisationen.

Ob Hierarchie nun förderlich oder hinderlich ist, hängt also von einigen Faktoren ab. Sie zu kennen hilft Organisationen, bewusste Entscheidungen darüber zu treffen, an welchen Stellen im Unternehmen Hierarchie hilfreich ist und wann hierarchiearmes oder -freies Arbeiten nützlich und wirksam im Sinne der Ergebnisse ist.

Quellen: