In Krisen sollten Führungskräfte (nicht) empathisch handeln

202105

Als im März 2020 zahlreiche Mitarbeitende aufgrund von Corona ins Homeoffice wechseln mussten, befanden sich viele Unternehmen in einer Krise. Mitarbeitende waren verunsichert, gleichzeitig veränderte sich die Art der Zusammenarbeit quasi über Nacht. Damit gab es auch enorme Anforderungen an die jeweilige Führung. Doch welches Führungsverhalten braucht es in Zeiten eines krisenbedingten Wandels, damit Mitarbeitende weiter produktiv sind?

Von Jan C. Weilbacher

Die Covid-Pandemie hat das Arbeitsleben vieler Menschen durcheinandergewirbelt. Viele Wissensarbeitende wechselten im Frühjahr 2020 dauerhaft ins Homeoffice, die Zusammenarbeit fand von einem Tag auf den anderen überwiegend virtuell statt. Es war eine Krise – für viele Unternehmen, aber auch für Menschen. Unsicherheit sowie die Vermischung von beruflichen und privaten Themen prägten den Alltag – und tun es zum Teil noch. Das hat Auswirkungen auf die Führung. Aber wie können im Rahmen eines krisenbedingten Wandels die Mitarbeitenden weiterhin effektiv geführt werden?

Umfragen zeigen, dass in Zeiten von Corona für mehr als die Hälfte der Führungskräfte der Umgang mit „Distance Leadership” die größte persönliche Herausforderung ist (Atreus, 2021). Und fast 60 Prozent der Führungskräfte fühlen sich am Ende des Arbeitstages erschöpft und ausgebrannt (DDI, 2021).

Hinsichtlich der Frage, wie sich die Corona-Pandemie auf die Führung in Unternehmen auswirkt, lässt sich anhand von Untersuchungen kein einheitliches Bild konstatieren. Einige kommen jedoch zu dem Schluss, dass sich die Führungskultur in den Organisationen insgesamt durch die Pandemie nicht wirklich verändert hat, obwohl Führungsbeziehungen vermehrt digital existieren (vgl. Bruch/Meifert, 2020).

Zwei gegensätzliche Führungsstile

Der Frage, wie Führungskräfte trotz der veränderten Situation durch Corona die Leistungsfähigkeit und -bereitschaft ihrer Mitarbeitenden erhalten können, sind kürzlich zwei Arbeitsgruppen von der Universität Hohenheim in Stuttgart und der Ludwig-Maximilians-Universität München nachgegangen (Bartsch et. al. 2020). Sie befragten dazu 206 Mitarbeitende von Dienstleistungsunternehmen aus den Bereichen Medien, Versicherungen, Beratung und Bildung, die aufgrund der Corona-Krise im vergangenen Jahr ins Homeoffice wechseln mussten.

Die Forscherinnen wollten wissen, wie sich in Krisenzeiten das Verhalten der Führungskräfte auf die Leistungsfähigkeit und -bereitschaft der Mitarbeitenden in einer digitalen Arbeitsumgebung auswirkt. Dabei hat man sich auf zwei scheinbar gegensätzliche Führungsstile konzentriert: das aufgabenorientierte und das beziehungsorientierte Führungsverhalten.

Während die aufgabenorientierte Führung auf das Erreichen von Unternehmenszielen fokussiert ist und dabei Aufgaben zuteilt, zum Teil die Arbeitsprozesse kontrolliert, konzentriert sich die beziehungsorientierte Führung auf eine verbesserte Zusammenarbeit zwischen den Teammitgliedern, auf die Förderung von Eigenverantwortung und die Schaffung eines kooperativen und unterstützenden Arbeitsklimas.

Die Forscherinnen kommen zu dem Schluss, dass es in Krisenzeiten auf beide Führungsstile ankommt, um die Arbeitsleistung in einer virtuellen Umgebung hochzuhalten. Gerade wenn es noch keine virtuellen Teamstrukturen gibt und die Mitarbeitenden verunsichert sind – beispielsweise aufgrund von familiären Verpflichtungen – kann das aufgabenorientierte Führungsverhalten für Koordination sorgen, Struktur geben und so den Zusammenhalt im Team stärken (Bartsch et. al., 2020).

Positive und negative Seiten der Empathie

Gleichzeitig ist aber in der Regel auch eine gewisse Autonomie sowie Flexibilität für die Mitarbeitenden wichtig. Beides fördert der beziehungsorientierte Führungsstil, der zugleich ebenfalls auf den Teamzusammenhalt einzahlt.

Auch wenn sich beide Führungsstile ergänzen, schreiben die Forscherinnen dem beziehungsorientierten Stil eine größere Bedeutung zu, weil die aufgabenorientierte Führung neben den Vorteilen auch den Nachteil haben kann, die empfundene Autonomie der Mitarbeitenden einzuschränken, was sich negativ auf die Leistung auswirkt (Bartsch et. al. 2020).

Die Ergebnisse lassen darauf schließen, dass je gefestigter das Team und die Zusammenarbeit ist, desto mehr tritt der aufgabenorientierte gegenüber dem beziehungsorientierten Stil in den Hintergrund.

Die Fähigkeit, Arbeitsbeziehungen positiv zu gestalten, ist sowohl in Krisenzeiten als auch im Rahmen des virtuellen Arbeitens für die Führungskraft eine wichtige Kompetenz. Dazu gehört ebenfalls die Fähigkeit zur Empathie. Studien zeigen, dass Empathie von Führungskräften in Krisen einen positiven Einfluss auf die Mitarbeitenden hat. Allerdings kann zu viel Einfühlungsvermögen in Krisensituationen auch dem Unternehmen schaden (König et. al, 2020). Es gibt einen Punkt, an dem das Verhältnis kippt. Empathie und effektives Krisenmanagement stehen in einem umgekehrt U-förmigen Zusammenhang (König et. al, 2020). Beispielseise hilft Empathie Führungskräften, in der Krise an die relevanten Informationen zu kommen, macht sie aber auch voreingenommen in der Verarbeitung dieser Informationen. Und Fachkräfte teilen ihr Wissen eher mit einem oder einer Vorgesetzten, die oder der empathisch ist. Allerdings fehlt einer solchen Person in Krisensituationen oft der kühle Kopf, um die Informationen nüchtern auszuwerten (König et. al, 2020).

Insgesamt betrachtet ist eine beziehungsorientierte Führung und ein emphatisches Führungsverhalten in Zeiten eines krisenbedingten Wandels sehr positiv, auch wenn nicht in jeder Führungssituation Einfühlungsvermögen gefragt ist.
Beziehungskompetenz lässt sich trainieren. Unternehmen sollten Zeit und Geld hierfür investieren.

Quellen: