Mission Impossible? Wie Change Agents andere (nicht) wirklich motivieren

Bild

Viele Veränderungsprojekte scheitern. Die Gründe dafür können vielfältig sein: unzureichende Kommunikation der Vision und der Veränderungsnotwendigkeit zum Beispiel oder emotionale Widerstände und Ängste gegenüber dem Neuen. Change Agents können helfen, das zu verhindern.

Von Greta Müller

Dass Change-Prozesse viel zu häufig scheitern oder nicht die gewünschten nachhaltigen Veränderungen erzielen, ist weithin bekannt. Zu oft scheint es nicht zu gelingen, die Mitarbeitenden wirklich für das Neue zu gewinnen und sie beispielsweise für die Umsetzung neuer Arbeitsweisen oder Prozesse zu motivieren. Die Gründe dafür können vielfältig sein: unzureichende Kommunikation der Vision und der Veränderungsnotwendigkeit zum Beispiel oder emotionale Widerstände und Ängste gegenüber dem Neuen.

Change Agents können helfen, das zu verhindern. Diese werden häufig in großen strategischen Transformationsprozessen eingesetzt, um ergänzend zu der offiziellen Kommunikation Mitarbeitende zu informieren, mit diesen in den Austausch zu gehen und sie für die Veränderung zu gewinnen sowie Widerstände frühzeitig zu erkennen.

Alle, die Veränderungen initiieren, unterstützen oder umsetzen

Dabei umfasst der Begriff “Change Agents” zunächst alle Personen, die Veränderungen initiieren, unterstützen oder umsetzen (Kanter, Stein & Jick, 1992). In der klassischen Change-Management-Lehre sind damit häufig externe oder interne Berater gemeint, die als Experten und Promotoren auftreten. (z.B. Howell et a., 2005). Immer häufiger werden jedoch auch Führungskräfte explizit als Change Agents bezeichnet und es wird als originäre Verantwortung der Führungsrolle verstanden, Promotor für Veränderungen zu sein und diese in ihren Teams voranzutreiben. Nicht zuletzt werden in vielen Change-Prozessen sogenannte Multiplikatoren eingesetzt, also zum Beispiel Mitarbeitenden-Vertreter aus unterschiedlichen Bereichen der Organisation, die ihrerseits als Change Agents auftreten, indem sie Rollenvorbilder für die Veränderung sind und andere unterstützen.

Es ist belegt, dass der Einsatz von Change Agents eine wichtige Rolle spielt, wenn es darum geht, Veränderungsbereitschaft und Motivation von Mitarbeitenden zu fördern (S. 38, Ford, Ford & D’Amelio, 2008). Allerdings weiß man bisher wenig über die gruppendynamischen Prozesse, die damit zusammenhängen. Warum klappt es manchmal ganz leicht, durch Change Agents eine ganze Organisation für Veränderung zu begeistern, während sich in anderen Fällen die Widerstände hartnäckig halten und mittels Flurfunk eher Frustration und Pessimismus sich breitmachen?

Untersuchung des Kommunikationsverhaltens

Eine neue Studie von Endrejat, Meinecke und Kauffeld (2020) widmet sich nun genau dieser Fragestellung. Dazu untersuchten die Forscher in zwei unabhängigen Studien das Kommunikationsverhalten von Change Agents und deren „Empfängern“ mit einem „obervational approach“, das heißt, sie werteten einerseits aufgezeichnete Unterhaltungen zwischen Change Agents und Empfängern aus sowie nur Aussagen von Empfängern, um Kommunikationsabläufe zu verstehen. Dabei analysierten sie, wie Change Agents und Teilnehmende miteinander interagieren und welche Auswirkungen das auf die Veränderungsbereitschaft sowie auf das tatsächlich gezeigte Verhalten der Teilnehmer hatte.

In zwei Szenarien gaben Change Agents entweder ein interaktives Training/Workshop oder hielten einen Vortrag zu den Themen „Prokrastinationsverhalten reduzieren“ sowie „Energiesparendes Verhalten verbessern“ – also zwei Themen, die ganz unterschiedliche Arten von Verhaltensänderung der Teilnehmer erfordern. Während der Experimente wurden alle Diskussionen zwischen Change Agents und Teilnehmern aufgezeichnet.

Anschließend wurden die Aussagen von Change Agents unterschieden in:

  • lösungsorientiert (zum Beispiel „Welche positiven Effekte könnte das neue Verhalten XX für dich haben?“) und
  • problemorientiert (zum Beispiel „Was hält dich davon ab, das neue Verhalten XX zu zeigen?“).

Die Aussagen der Empfänger wurden ebenfalls in verschiedene Kategorien unterschieden, nämlich in:

  • sogenannte „Change Talks“, also positive Aussagen, die Veränderungsbereitschaft symbolisieren (zum Beispiel „Ich habe XX neu ausprobiert und es hat schon ziemlich gut geklappt“)
  • „Sustain Talks“, also Botschaften, die das Alte aufrechterhalten (zum Beispiel “Das neue Verhalten XX ist so kompliziert, ich weiß gar nicht wo ich anfangen soll“)
  • neutrale Reaktionen

Die Ergebnisse zeigen: Nach lösungsorientierten Aussagen durch die Change Agents erfolgten seitens der Teilnehmer mit signifikant erhöhter Wahrscheinlichkeit „Change Talk“-Aussagen, die Veränderungsbereitschaft stieg also. Zusätzlich schien es einen „Ansteckungseffekt“ in Bezug auf die Motivation zu geben: Change-Talk-Aussagen eines Teilnehmers erhöhten die Wahrscheinlichkeit signifikant, dass andere Teilnehmer ebenfalls Change-Talk-Aussagen äußerten.

Bewusstsein für die Auswirkung der eigenen Botschaften schaffen

Was können wir daraus für die Praxis und die Gestaltung von Change-Prozessen lernen?
Die Art und Weise, wie Change Agents über (Verhaltens-)Veränderungen sprechen, beeinflusst die Veränderungsbereitschaft beim Empfänger. Soweit so gut. Doch wie oft beschäftigen wir uns eigentlich mit dem Kommunikationsverhalten unserer eingesetzten Change Agents? Häufig werden diese, einmal benannt, einfach in die Organisation „losgeschickt“.

Die Ergebnisse dieser Studie weisen uns darauf hin, dass es sich durchaus lohnt, Zeit und Training in die Art und Weise, wie Change Agents kommunizieren, zu investieren und bei ihnen ein Bewusstsein für die Auswirkung der eigenen Botschaften zu schaffen. Was vermitteln sie? Wie lösungsorientiert sprechen sie über das Neue? Wo bewirken sie vielleicht unbewusst eher Widerstände, indem sie, aus bester Absicht heraus, sich auf mögliche Probleme und Herausforderungen konzentrieren? Hier scheinen sich große Potenziale zu verbergen, die bisher vielleicht nicht vollständig genutzt wurden.

Außerdem kann man den Effekt der motivationalen Ansteckung nutzen – quasi einen Schneeball-Effekt im Change. Mitarbeiter, die inspiriert durch lösungsorientierte Botschaften der Change Agents, positiv über Veränderungen sprechen, bewirken, dass auch andere mehr und positiv über den anstehenden Change und ihre Erfahrungen damit sprechen. Das heißt für Organisationen und Change-Verantwortliche, dass sie gut beraten sind, ausreichend Orte und Zeit für solche Unterhaltungen und Diskussionen zu schaffen. Es zeigt sich mal wieder: Kommunikation, gerade im Change, ist essenziell. Dann klappt es vielleicht auch mit dem Rest.

Quellen: