Möglichst (nicht) alles zur gleichen Zeit

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Jeder kennt das: Die Arbeitswelt wird komplexer und schnelllebiger. Immer mehr Menschen haben das Gefühl, dass die Aufgaben im Job zahlreicher werden. Der Leistungsdruck nimmt zu. Zunehmend stellt sich die Frage, wie man der Beschleunigung Stand hält. Viele Menschen versuchen mehrere Dinge gleichzeitig zu erledigen. Geht New Work nur mit Multitasking?

Von: Michael Schriber

Auch im Privaten neigen wir zum Multitasking, schauen Fernsehen während wir gleichzeitig mit dem Handy spielen oder uns mit anderen unterhalten. Menschen, die zu einem gewissen Multitasking fähig sind, könnten in der modernen Gesellschaft einen Vorteil haben. Doch inwieweit ist eine solche Gleichzeitigkeit überhaupt möglich? Und, wenn Multitasking nicht geht, ist dann die eigentliche Königsdisziplin schlicht die Schnelligkeit, zwischen Aufgaben zu wechseln?

Der MIT-Neurowissenschaftler Earl Miller stellte fest, dass unsere Gehirne nicht gut mit Multitasking umgehen können. Arbeiten und nebenbei Musik hören, das mag noch funktionieren. Der Mensch kann sich aber nur auf eine, maximal zwei komplexe Aufgaben gleichzeitig konzentrieren. Wenn Leute glauben, dass sie Multitasking betreiben, wechseln sie dabei tatsächlich nur schnell von einer Aufgabe zur nächsten. Und dabei generieren sie kognitive Kosten (Levitin, 2015). Einen Aufwand also, der für die kognitive Verarbeitung von Informationen anfällt und dadurch entsteht, dass die Menschen sich immer wieder in die alte Aufgabe hineindenken, oder sich Details im Gedächtnis zurückrufen müssen, um erneut darüber nachzudenken, was sie eigentlich schon herausgefunden hatten (Grether, Schwarz, Wilde, 1986). Multitasking macht es also schwieriger, Gedanken zu strukturieren und irrelevante Informationen herauszufiltern, wodurch Effizienz und Qualität unserer Arbeit abnehmen.

Multitasking führt zu Leistungsabfall

Der ständige Wechsel von Aufgaben fördert schlechte Gehirngewohnheiten. Wenn wir eine kleine Aufgabe erledigen (eine E-Mail verschicken, eine SMS beantworten oder kurz auf sozialen Medien etwas posten), werden wir mit einem kleinen Schub Dopamin, unserem Belohnungshormon, angefüttert. Unsere Gehirne lieben dieses Dopamin und so werden wir ermutigt, zwischen kleinen Mini-Aufgaben zu wechseln, die uns sofortige Befriedigung liefern. Dies erzeugt eine gefährliche Rückkopplungsschleife, die uns das Gefühl gibt, dass wir sehr viel erreichen, wenn wir in Realität nicht viel tun (oder zumindest nichts, was viel kritisches Denken erfordern würde).
Dass das vermeintliche Multitasking zu Leistungsabfall führt, konnten ebenfalls Forscher der Universität Standford belegen. In all ihren Tests teilten sie die Probanden in zwei Gruppen auf: Die einen waren es gewohnt, häufig zwischen Medien und Aufgaben zu wechseln, die anderen hatten deutlich weniger Multitasking-Erfahrung (Ophir, Nass,Wagner, 2009). „In Situationen, in denen Informationen aus mehreren Quellen von außen auf sie zukommen oder aus der Erinnerung hervortreten, können die geübten Multitasker nicht herausfiltern, was für ihre aktuelle Tätigkeit gerade nicht oder weniger relevant ist“, sagt Wagner, Dozent für Psychologie. „Diese Unfähigkeit zu filtern bedeutet, dass irrelevante Information eine Verlangsamung zur Folge haben.“
Manche Studien legen sogar nahe, dass „Multitasking“ die Intelligenz mindert. So hat eine Studie an der University of London gezeigt, dass Probanden, die während der Durchführung von kognitiven Aufgaben Multitasking durchführten, signifikante IQ-Verluste erfuhren. Diese sind vergleichbar mit dem, was man beispielsweise bei Personen beobachtet, die eine Nacht Schlaf auslassen (Janssen, Gould, Li, Brumby, Cox, 2015).

Kognitive Schäden sind möglich

Und nicht nur das: Neue Forschungsergebnisse weisen auf die Möglichkeit hin, dass kognitive Schäden im Zusammenhang mit Multitasking dauerhaft sein könnten. In einer Studie der University of Sussex (UK) wurden MRT-Untersuchungen an Gehirnen von Personen durchgeführt, die gleichzeitig mit mehreren Geräten zu tun hatten (zum Beispiel Fernsehen und Smartphone). Die MRT-Scans zeigten, dass Probanden, die häufiger Multitasking betrieben, eine geringere Hirndichte im anterioren cingulären Cortex aufwiesen. Das ist der Bereich, der für Empathie und emotionale Kontrolle verantwortlich ist (Loh, Kanai, 2014). Allerdings lässt sich nicht mit Sicherheit sagen, ob Multitasking für diese Effekte verantwortlich ist oder ob eine bestehende Hirnschädigung zu Multitasking-Gewohnheiten führt.

Nichtsdestotrotz ist es ratsam, Multitasking zu vermeiden, wenn es sich um Prozesse handelt, die eigentlich unsere ganze Aufmerksamkeit brauchen und nicht nebenbei ablaufen, wie beispielsweise das Hören von Musik. Alles gleichzeitig funktioniert nicht. Multitasking raubt uns über die Zeit sogar wichtige kognitive Fähigkeiten zum Lösen komplexerer Probleme.

Quellen: