New Work – (nicht) alles ist neu!?

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New Work wird aktuell gerne als Antwort auf nahezu jede Herausforderung verwendet, die in der heutigen Zeit auf Organisationen zukommt. Ist New Work aber wirklich die Lösung, die alle bzw. viele der vorhandenen Probleme löst? Und ist es tatsächlich neu oder wieder einmal „alter Wein in neuen Schläuchen“? Ein Blick hinter die Kulissen verdeutlicht, dass Einflussfaktoren wie Digitalisierung und Innovationsdruck auch vor 20 Jahren schon bestanden. Neu ist aber die Selbstverantwortung eines jeden Mitarbeiters. Und das hat Implikationen für Kultur und Führung.

Wer sich aktuell mit Organisationsentwicklung beschäftigt stellt fest, dass eine Vielzahl an Trends diskutiert werden, die anscheinend die bestehenden Erkenntnisse und Ansätze komplett auf den Kopf stellen. Agilität, Ambidextrie, Arbeiten X.0, … Die Herausforderungen von Organisationen, um auch in Zukunft ein wirtschaftlich erfolgreiches Geschäftsmodell zu betreiben, erscheinen kaum bzw. nur mit sehr großem Aufwand erfüllbar. Mit „New Work“ wird dann alles zusammengefasst um nachdrücklich zu dokumentieren, dass die Arbeits- und Organisationswelt von morgen nur noch relativ wenig mit dem Status-quo zu tun hat.

New Work als neuer Ansatz der Arbeitsorganisation

„New Work ist ein Trendthema und gleichzeitig ein unübersichtliches Sammelsurium verschiedener Maßnahmen und Prinzipien – häufig werden sie ziellos und mit heftigen Nebenwirkungen in Organisationen eingeführt“ sagt Carsten C. Schermuly, der an der SRH Hochschule Berlin insbesondere zum psychologischen Empowerment von New Work forscht (Schermuly, 2016). Der Ansatz von New Work geht auf Frithjof Bergmann zurück, einem österreichisch-US-amerikanischen Philosophen. Bergmann beschäftigt sich bereits seit Anfang der 1980er Jahre mit der Frage nach der Freiheit des Menschen und bezieht dabei explizit das Berufsleben mit ein (Bergmann, 2004). Die unternehmerische Freiheit eines Mitarbeitenden ist besonders durch den Wandel von einer Industrie- hin zu einer Wissensgesellschaft bedeutsam. Klassische Arbeitsstrukturen- und -formen werden den Anforderungen nicht mehr gerecht. Globalisierung, Digitalisierung und Innovationsdruck stellen für viele Organisationen Herausforderungen dar, denen man nur mit einem neuen Arbeits- und Mitarbeiterverständnis gerecht werden kann. Jacob Morgan, einer der führenden Vordenker zum Thema Zukunft der Arbeit spitzt das zu: “In the Future of Work, late adopter means out of business.” (2014).

Um zu wissen, worüber man spricht, ist der Begriff New Work zunächst zu operationalisieren. Folgt man dem Ansatz von Heike Bruch, zeichnet sich die zukünftige Arbeitswelt durch neue Arbeitsformen aus, die vor allem höhere Flexibilität erfordern. Flexibilität bezieht sich dabei sowohl auf eine organisationale Ebene aber auch auf die persönliche Ebene des Mitarbeitenden. Bruch hebt acht Kernelemente von New Work hervor (Bruch, Block & Färber, 2016):

1. Flexible Arbeitszeiten
2. Mobiles Arbeiten
3. Desk Sharing
4. Neue Arbeitsmethoden
5. Virtuelle Teams
6. Fluides Arbeiten
7. Digitale Technologien
8. Digitale Kommunikation.

Insbesondere die ersten beiden Elemente zeigen, dass die Grenzen zwischen Privat- und Berufsleben zukünftig noch stärker verschwimmen werden. Dieses zu Akzeptieren und die notwendige Selbstverantwortung durch den Mitarbeitenden anzunehmen wird erfolgskritisch sein, um New Work-Ansätze in einer Organisation erfolgreich umzusetzen.

Anspruch und Wirklichkeit – wie groß ist das Delta?

Viele CEO’s halten eine Veränderung der Arbeitswelt für unausweichlich (Bersin, 2016). Unternehmensrealitäten sehen aktuell jedoch anders aus. Organisationen fühlen sich auf New Work häufig nicht gut vorbereitet bzw. sind im Umgang mit dieser Herausforderung unsicher (AT Kearney, 2016 und Bruch, Block & Färber, 2016): nur vier Prozent fühlen sich gut auf den Wandel vorbereitet, nur drei Prozent stufen sich bereits als Netzwerkunternehmen ein. Nach den Erhebungen von Heike Bruch et al. (Bruch, Block & Färber, 2016) haben sich aktuell nur 25 Prozent der Organisationen auf den Weg gemacht, neue Arbeitsformen einzuführen, davon stufen sich nur 6 Prozent als erfolgreich ein.

Spannend ist die Diskussion, wenn man die Anforderungen von New Work mit den persönlichen Erwartungen von Mitarbeitenden an die eigene Berufs- und Lebensplanung vergleicht: Auf der einen Seite wird der Anspruch als auch die Bereitschaft signalisiert, an New Work-Konzepten mitzuarbeiten. Zum Beispiel wollen Mitarbeitende mehr in die Überlegungen zum Arbeitsplatz der Zukunft eingebunden werden und über 60% aller Arbeitnehmer fordern einen kulturellen Wandel (sipgate, 2017). Auf der anderen Seite wird aber auch deutlich, dass Arbeitnehmer zunehmend auf Karriere zu Gunsten einer „echten“ Work-Life-Balance verzichten (ManpowerGroup, 2017). Die Übernahme von mehr organisationaler Verantwortung im Rahmen von Führungspositionen scheint nicht an Attraktivität zu gewinnen, sondern nimmt sogar ab.

Wenn sich Mitarbeitende nicht mit den resultierenden Konsequenzen anfreunden können, wird die Umsetzung von New Work entsprechend schwierig. Ursprünglich gut gemeinte Ansätze zur Etablierung von New Work-Prinzipien können daher auch eine gegensätzliche, negative Wirkung entfalten, wenn sich der erwartete Erfolg nicht einstellt oder Mitarbeiter sogar überfordert und/ oder unzufrieden werden. Dies betrifft aktuell ca. 19 Prozent der befragten Organisationen (Bruch, Block & Färber, 2016).

Implikationen für die praktische Anwendung

Woran liegt es, dass es so ein großes Delta zwischen Anspruch bzw. Anforderung und Wirklichkeit gibt? Liegt es eher an einem fehlenden „Wollen“ oder eher an einem fehlenden „Können“? Fakt ist, dass die Transformation von stark hierarchieorientierten Organisationsstrukturen hin zu Netzwerkorganisationen sowohl unter kulturellen als auch unter führungsbezogenen Aspekten ein enorm großer Schritt ist, der neben der notwendigen Bedingung des „Können“ aller Mitarbeitenden insbesondere das „Wollen“ und die Unterstützung der Führungskräfte erfordert. Dies ist insbesondere deshalb wichtig, da mit New Work-Ansätzen ein deutlich höheres Ausmaß an Entscheidungsfreiheit auf den Mitarbeitenden übertragen wird. Um diesen Entwicklungsprozess erfolgreich zu gestalten, müssen Veränderungsprozesse etabliert werden, die neben fachlich/ inhaltlichen Antworten auf Informationsbedürfnisse der Mitarbeitenden, auch gefühlte soziale Bedrohungen für den Mitarbeiter aus dem Weg räumen.

Was ist denn jetzt alles neu an New Work? Die Diskussion über die Zukunft der Arbeit ist nicht so neu, wie manchmal behauptet wird (Radkau, 2017). Innovations-Anforderung gab es bereits in der Vergangenheit. Es kam auch schon immer auf die Mitarbeitenden in Organisationen an, um Organisationsprinzipen erfolgreich umzusetzen. Definitiv neu ist aber, dass Mitarbeitenden mehr Verantwortung und mehr Selbstbestimmung übertragen wird, wie und wann Arbeit zu erledigen ist. Zudem ist mit einer weltweiten, sofortigen Transparenz über Produktneuheiten und/ oder Wettbewerbsvorteilen auch der zeitliche Druck extrem gestiegen, der über Globalisierung und Digitalisierung auf die Weiterentwicklung von Organisationen und das ständige Hinterfragen bzgl. Effizienz und Effektivität vom Markt ausgeübt wird.

Neben organisatorisch/ prozessualen Änderungen müssen die Mitarbeitenden insbesondere hierauf vorbereitet werden, um diesen Anspruch auch gerecht zu werden. Ansonsten enden New Work-Versuche auch ganz schnell bei Überforderung von Mitarbeitenden, wodurch die Zufriedenheit sinkt und die wirtschaftliche Gefahr für die Gesamtorganisation sogar steigt. In Summe wird es für die meisten Unternehmen den größten Mehrwert liefern, New Work-Prinzipien in einzelnen Organisationsbereichen zu testen bzw. zu pilotieren, um damit Erfahrungen zu sammeln und mögliche Risiken unter Kontrolle zu halten.

Quellen: