„Service with a Smile“ ist (un)gesund

Neulich in der ersten Klasse des ICE auf dem Weg von Hannover nach Köln. Auf die Aufforderung die Fahrscheine zu zeigen, bricht es aus einem scheinbar schlecht gelaunten Fahrgast heraus: „Nie ist die Bahn pünktlich, der Kaffee schmeckt nicht und die Klimaanlage ist mir auch viel zu kalt!“ Mit einem routinierten Lächeln geht die Zugbetreuerin auf den Passagier ein und nach ein paar freundlichen, verständnisvollen Sätzen sieht die Welt für den Gast gleich wieder besser aus. Ohne, dass es der Mitarbeiterin der Deutschen Bahn wahrscheinlich bewusst war, sie hat gerade emotionale Arbeit geleistet.

Emotionale Arbeit wird dann „verrichtet“, wenn die tatsächlichen Emotionen, die eine Person empfindet, aufgrund der beruflichen Rolle oder aufgrund von Unternehmensvorgaben nicht gezeigt werden. Diese Form der Arbeit steht im Fokus der Forschung zum Umgang mit schwierigen Kunden (Dormann & Zapf, 2004; Hochschild, 1979; Hülsheger & Schewe, 2011). Ein typisches Beispiel stammt aus der Luftfahrt: Wenn sich ein Kunde wegen des kalten Essens oder starker Turbulenzen beschwert, dann sind die Flugbegleiter dazu angehalten, freundlich und professionell zu reagieren. Unabhängig davon, ob sie Verständnis für die Beschwerde haben oder selbst negativen Emotionen (z.B. Angst) empfinden. Im ersten Fall müssen sie freundlich reagieren, um dem Kunden ein positives Gefühl zu vermitteln (Vorgabe durch das Unternehmen). Im zweiten Fall müssen sie professionell reagieren und ihre Angst verbergen, um Panik zu vermeiden (implizite Vorgabe durch ihre berufliche Rolle). Egal ob offiziell vorgegeben oder implizit erwartet: Beides erzeugt emotionale Dissonanz. Nach der Theorie der Ressourcenerhaltung (Hobfoll, 1989) kostet emotionale Arbeit bzw. emotionale Dissonanz eine Person jeweils Ressourcen und dies erzeugt Stress. Dieser Stress wiederum führt über die Zeit zu Burnout (z.B., Crawford et al., 2010), schlechter Arbeitsleistung und erhöhter Kündigungsmotivation (Crawford et al., 2010; Podsakoff et al. 2007).

Die negativen Auswirkungen von emotionaler Arbeit sind insbesondere im Service-Bereich hinreichend untersucht, z.B. bei Call-Centern, in der Gastronomie oder im Einzelhandel. Gleichermaßen zeigen Studien mit anderen Stichproben ähnlich negative Effekte in der Finanzbranche, im Gesundheitswesen oder im öffentlichen Dienst, z.B. bei der Arbeitsvermittlung oder der Polizei (z.B. Dudenhöffer & Dormann, 2015). Verbale Kundenaggressionen und emotionale Arbeit treten hier gleichermaßen auf, wenngleich der Begriff „Kunde“ auf Kreditnehmer, Patienten, Jobsuchende, Täter bzw. Opfer von Delikten zu übertragen ist.

Die Folgen von emotionaler Arbeit bzw. emotionaler Dissonanz hat kürzlich auch eine DAK-Studie zusammengefasst (Spiegel Online, 2016): überdurchschnittlich lange Fehlzeiten durch Krankheit und hohe Kosten sind die Konsequenzen. Neben den Folgen des Burnouts entstehen jedoch noch weitere psychologische Kosten. Beschäftigte empfinden bspw. ein Gefühl der Ungerechtigkeit. Diese Empfindung bedroht die wahrgenommene Job-Autonomie, Selbst- bestimmung sowie das Zugehörigkeitsgefühl. Insbesondere passiert das dann, wenn Unternehmen strikte Vorgaben machen, zu jeder Zeit kulant, freundlich und professionell auf schwierige Kunden zu reagieren.

Doch wie können diese negativen Konsequenzen emotionaler Arbeit vermindert werden?

Während sich die bisherige Forschung eher mit dem Phänomen der emotionalen Arbeit und ihren Auswirkungen auseinandersetzte, existiert kaum Forschung zu geeigneten Maßnahmen, um die negativen Konsequenzen abzumildern. Es liegt auf der Hand, dass sich Kundenaggressionen und emotionale Arbeit nicht gänzlich vermeiden lassen. Ein kürzlich erschienener Artikel bietet jedoch Möglichkeiten an, um die negativen Folgen emotionaler Arbeit zu reduzieren (Grandey, Rupp, & Brice, 2015).

Grundsätzlich sollte eine formalisierte Vorgabe durch das Unternehmen vermieden werden, die fest vorschreibt, wie mit Kunden in allen Situationen umzugehen ist und andere Wege beschritten werden. Hierzu bieten Grandey und Kollegen (2015) Möglichkeiten an:

(a) Unternehmen sollten damit beginnen, ihre Kunden selbst ein Stück weit in die Pflicht zu nehmen. Als Beispiel dieser Idee sei ein Schild einer französischen Weinbar vorgestellt: auf diesem Schild wird ein höherer Preis für einen Kaffee verlangt, wenn er unhöflich anstatt mit „bitte“ oder einem „Guten Morgen“ bestellt wird (Peregrine, 2013).

(b) Ein Hinweis an Kunden auf gegenseitige Achtung und Würde kann das Selbstwertgefühl der eigenen Beschäftigten steigern. Als Beispiel sei hier die Hotelkette Ritz-Carlton genannt, deren Slogan „We are Ladies and Gentlemen serving Ladies and Gentlemen“ gleichermaßen Respekt von den eigenen Beschäftigten und von den Kunden erwartet (The Ritz-Carlton, 2015). Könige sollten sich nun mal auch königlich verhalten.

(c) Anstelle der reinen Kundenzufriedenheit sollte die Arbeitsleistung von Mitarbeitern bewertet werden – und die besteht neben der fachlichen Beratung eben auch in emotionaler Arbeit. Selbst extrovertierte, stets positiv gelaunte Mitarbeiter geraten bei manchen Kunden an ihre Grenzen, sodass eine Bewertung des emotionalen Aufwands und der Mühe sinnvoller erscheint als die einfache Frage, ob der Kunde nun zufrieden ist.

(d) Schließlich können bestehende Kontrollmechanismen auch zur Unterstützung der Mitarbeiter genutzt werden. Call-Center-Mitarbeiter empfinden das Mithören von Gesprächen durch Vorgesetzte weniger als Kontrolle oder Bestrafung, sondern als unterstützend, wenn die Vorgesetzten im Anschluss an schwierige Kundengespräche emotionale Unterstützung leisten (Holmann, Chissick, & Totterdell, 2002).

Es bleibt abzuwarten, welche Auswirkungen die Qualitätsoffensiven der Deutschen Bahn auf die Notwendigkeit von emotionaler Arbeit im Alltag für die Beschäftigten haben werden. Ansätze, potentielle Risiken emotionaler Arbeit zu mindern, scheinen aber bei allen Berufsgruppen, die emotionale Arbeit leisten angesichts der aktuellen Befundlage lohnenswert.

Quellen