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Jede Transformation einer Organisation ist einzigartig. Deshalb sollte man vermeintliche Trends und schillernde Modebegriffe mit Vorsicht genießen. Sie sind in der Regel ziemlich schnell niedergeschrieben – egal ob es eine empirische Evidenz dazu gibt oder nicht.

Von Matthias Meifert

Am Anfang eines jeden Jahres fragen wir uns, welche Trends die neue Zeitrechnung prägen werden. Es braucht nicht viel Fantasie, um wieder eine Liste voll mit zeitgeistigen Buzzwords zu erstellen. Ich enthalte mich in diesem Jahr lieber. Denn es gibt keinen Mangel an schillernden Weissagungen der selbsternannten Evangelisten, Vordenker, Ratgeber und Berufsverbände. Vielmehr habe ich einen Wunsch: Lasst uns in 2018 wieder genauer und kritischer hinschauen. Mir scheint, dass unsere Profession gerade dabei ist, sich mit unscharfen, deutungsoffenen Begriffen und dem Postulieren von Moden viel Glaubwürdigkeit zu verspielen. Simple Rezepte im Stile von „Mehr Selbstorganisation führt zu mehr Innovation und das ist wiederum nötig um die digitale Transformation zu bewältigen“ machen die Runde. Wenn man diese Aussage dann noch mit den Attributen Agilität, Diversität und Ambidextrie würzt, ist der perfekte Blogeintrag fast schon fertig.

Bei aller auch persönlicher Begeisterung für „neuere“ Managementkonzepte empfehle ich dringend, die empirische Evidenz der vielen Vorschläge zu studieren. Es ist mitnichten so, dass die immer wieder lebhaft unterstellten Wirkungen dieser Konzepte bereits in der Wissenschaft aber auch Praxis gezeigt worden sind. Auch Vorzeigeunternehmen hinsichtlich New Work wie beispielsweise Jimdo sind vor Krisen nicht gefeit. So musste die Hamburger Digital Company kürzlich 25 Prozent seines Personals entlassen. Viele der als Prototypen des neuen Arbeitens gefeierten Startups unterscheiden sich in der Führung kaum von herkömmlichen Organisationen. Nur die Arbeitszeiten und -bedingungen sind häufig deutlich schlechter. Und teilweise drehen auch mutige Geschäftsführer, die in der Vergangenheit Holocracy eingeführt haben, das Rad bereits wieder kräftig zurück. Zu schlecht seien die Erfahrungen gewesen. So haben beispielsweise zwei der zwölf von Frederic Laloux´ in seinem Buch “Reinventing Organizations” als Prototypen genannten Firmen wieder ein traditionelles Top-Down-Managementsystem eingeführt. Auch ist zu lesen, dass das vielzitierte Beispiel Zappos, ein US-amerikanischer Onlineshop, mit Demotivation, einer Kündigungswelle und Widerstand gegen das neue System ringen musste.

Was folgt? Jede Transformation einer Organisation ist einzigartig. Alle Beteiligten müssen gemeinsamen den besten Weg dafür finden. Marktschreierische, populäre Rezepte helfen wenig, sondern verführen unverantwortlich. Wir sollten uns die alte Erkenntnis vergegenwärtigen: „Wir stehen alle auf den Schultern von Riesen“. Die Datierung viele der heute als neu angepriesenen Konzepte reicht weit in die Vergangenheit oder sind aus älteren Ansätzen abgeleitet worden. Daher lohnt es ungemein wieder die abgewetzten Bücher der Organisationsentwicklung, systemischen Theorie und Managementlehre hervorzuholen. Es ist einfach verblüffend, wie universell diese „alten“ Erkenntnisse und relevant sie noch heute sind. In diesem Sinne wünsche ich mir für 2018 mehr Gründlichkeit, mehr begriffliche Klarheit, mehr kritische Haltung zu den vermeintlichen Trends und mehr gemeinsames Ringen um den besten Weg. Und das alle Jahre wieder.